Alterszentrum und Alterswohnungen Turm-Matt, Wollerau

Studienauftrag im selektiven Verfahren
1. Preis, Planung und Realisierung
2022 - 2026 

Städtebauliche Idee
Der Ort nahe am Dorfzentrum ist durch die historische eher kleinteilige dörfliche Bebauungsstruktur geprägt, der vor allem städtebauliche Fragen zur Integration der Gebäudemasse in den kleinteiligen dörflichen Kontext stellt. Die Wahl des schmetterlingsartigen Baukörpers und dessen Setzung im Siedlungskörper lässt die deutlich grössere Gebäudemasse des Alterszentrums nur ausschnitthaft erfahrbar werden. Die grossen Bauvolumen verzahnen sich so über das abgewinkelte Gebäudevolumen massstäblich mit der kleinteiligen dörflichen Bebauungsstruktur der Umgebung. Die Setzung der zwei Gebäudekörper schafft zusammen mit dem Grün des Bachlaufes eine neue Mitte des Alterszentrums Turm-Matt. Als Identität stiftenden zentralen Ankunftsort ist sie leicht auffindbare Adresse und ein gut besonnter Aufenthaltsort zugleich. Der polygonale Zuschnitt des Baukörpers schöpft die baurechtlichen Rahmenparameter für ein äusserst kompaktes, flächenoptimiertes Projekt optimal aus und ist nicht zuletzt in seiner zweiteiligen Form eine Antwort auf die angestrebte Etappierung, die ohne Provisorien während der Bauzeit auskommt. Alle Zugänge des bestehenden Alterszentrums bleiben während der Realisierung der Etappe 1.1 erhalten.

Erschliessung
Die bestehenden Wege werden über das Areal verbunden und vernetzen das Alterszentrum mit dem feinmaschigen Fusswegenetz im Dorf. Die Einbettung in das bestehende Wegenetz stärkt die Bedeutung des Hauses als wichtiges öffentliches Gebäude des Dorfes. Die Zufahrt erfolgt von der Bahnhofstrasse. Am Rand des Grundstücks liegen die Parkierung der Besucher, Einfahrt der Einstellhalle und die Anlieferung. Motorisierter Verkehr ist so konfliktfrei von der Langsamverkehrserschliessung getrennt. Verkehrsströme werden entflochten und am Ankunftsplatz als identitätsstiftende Adresse liegen sinnfällig der Hauptzugang des Gebäudes und die Aufenthaltsbereiche im Aussenraum. Im ersten Obergeschoss befinden sich die Ausgänge in den höher gelegenen Garten. Ein attraktiver öffentlicher Weg durch das gesamte Areal verbindet die Bahnhofstrasse mit dem Turmweg.

Architektur
Im Gegensatz zum dörflichen Umland mit zahlreichen neuen Wohnbebauungen haben sich im Dorfkern Wolleraus Identität stiftende historische Bauten erhalten, wie sie sich auch in anderen Gemeinden im Kanton Schwyz heute immer noch finden. Als helle Putzbauten mit Natursteingewänden und Ziegeldach sind sie das architektonische Erbe, das sich unter dem Einfluss des Klosters Einsiedeln in der ganzen Region entwickelt hat. Verenakirche mit Pfarrhaus, Schulhaus, Neuhaus, „Gmuret Hus“, Verenahof in unmittelbarer Nachbarschaft des Alterszentrums und andere ältere Bauten sind Zeugen dieses Einflusses und haben heute nichts von ihrer identitätsstiftenden Wirkung für Wollerau verloren.
In seiner farbigen Gestaltung knüpft der Neubau an die zahlreichen historischen und öffentlichen Bauten im Dorfkern Wolleraus an. Er interpretiert diese in zeitgemässer Holzbauweise neu und kann so als wichtiger öffentlicher Bau des Dorfes identifiziert werden.

Innere Organisation
Der Neubau teilt sich dem Volumen entsprechend in zwei Bereiche mit jeweils einem Treppenhaus. Beide Bereiche sind von einer gemeinsamen Mitte erschlossen. Im Erdgeschoss wird das Haus über eine «Lobby» betreten, die die öffentlichen Bereiche wie Kaffee/Bistro und Speisesaal auf der einen Seite und den Dienstleistungsbereich auf der anderen Seite erschliesst. Im 1. bis 3. Obergeschoss gelangt man über zwei Lifte in den zentralen Ankunftsbereich der Wohngruppen mit je 10 Bewohnerzimmern pro Flügel. Im 3. Obergeschoss befinden sich in einem Flügel anstelle von 10 Bewohnerzimmern fünf grössere Wohnstudios.
Die Pflegegeschosse sind wie eine „Wohnung“ konzipiert und so angelegt, dass man sich selbstverständlich zurechtfindet. Der zentrale Ankunftsbereich funktioniert als Eingang/Diele der Wohnung. Die Aufenthaltsbereiche sind als erweiterter Wohnbereich wie das Wohnzimmer der Wohnung konzipiert. In ihm befindet sich auch der Essbereich, der wie eine Wohnküche als Treffpunkt und Gemeinschaftsraum innerhalb der Abteilung funktioniert. Die eigentlichen „privaten“ Bewohnerzimmer sind die individuellen Schlafzimmer und Rückzugsorte der Wohnung.
Die angestrebte wohnliche Aufenthaltsqualität wird durch die Verwendung von warmen Materialien, Farbe und die sorgfältig gestaltete Fügung der Bauteile erreicht. Die eingesetzten Materialien und Farben schaffen klar identifizierbare Orte und sind nachvollziehbare räumliche Orientierungshilfen bei der Wegführung im Gebäude.
Die Pflegezimmer sind vielfältig individuell möblierbar. Einbauten in warmen Holztönen erhöhen die Wohnlichkeit und fördern die individuelle Aneignung.
Im Untergeschoss befinden sich Infrastrukturräume, Lager, Schutzraum und die Einstellhalle. Technikräume sind rückwärtig im unterirdischen Bereich des Erdgeschosses und auf der Dachfläche vorgesehen. Auf den gut besonnten übrigen Dachflächen ist eine Photovoltaikanlage geplant.

Struktur, Fassade und Nachhaltigkeit
Im Sinne eines nachhaltig erstellten Gebäudes wird eine max. sinnvolle Reduktion des CO2-emissionsintensiven Materials Beton angestrebt. Als statisch aussteifende und brandsichere Struktur sind die Kernwände der Treppenhäuser in Beton vorgesehen. Stützen in der Fassadenebene und in der Zimmerschicht schaffen eine schlanke Betonskelettstruktur, die den Einsatz von Beton auf ein Minimum reduziert und zugleich die komplexen Brandschutzfragen eines Alterszentrums löst. In der weiteren Projektierung wird die maximale Verwendung von Recyclingbeton und CO2-arm produziertem Beton weiterverfolgt. Die inneren Trennwände werden für ein optimales Raumklima und eine max. Reduktion von CO2 in Leichtbauweise mit verputzten Lehmbauplatten erstellt. Die gewählte Konstruktion ermöglicht eine maximale Flexibilität innerhalb der Zimmerschicht und ist zukünftig auf sich ändernde Bedürfnisse anpassbar.
Gebäudeteile wie das Dachgeschoss und die Fassade, die keine hohen Brandschutzanforderungen erfüllen müssen, werden in nachhaltiger Holzelementbauweise erstellt.
Die Fenster sind als unterhaltarme Holzmetallfenster vorgesehen. Erdberührte Teile des Erdgeschosses und des Untergeschosses werden als aussengedämmte Ortbetonwand aus Recyclingbeton ausgeführt. Zum Schutz der Holzkonstruktion kommen im Sockelbereich am Übergang zum Terrain in minimiertem Umfang feuchteresistente dauerhafte Betonelementen zum Einsatz.
Eine unterschiedliche Profilierung und Tiefe einer vertikalen Holzschalung sowie deren partielle farbliche Behandlung gliedern die Fassade. Das entwickelte Gestaltungsrepertoire verleiht ihr den Ausdruck eines «öffentlichen Wohnhauses» in Holz, das sich in die historische Reihe öffentlicher und wichtiger Bauten Wolleraus einreiht. Klassische Gliederungselemente öffentlicher Gebäude werden durch die horizontale Gliederung des Wohnens überlagert und lassen so unterschiedliche Lesearten zu.
Durch die Tiefenstaffelung der Fassade und die Farbgebung changiert die Wahrnehmung der Fassaden je nach Blickrichtung. Zu den polygonal abgewickelten Fassaden wird die Segmentierung und Eingliederung des Bauvolumens in den dörflichen Kontext so zusätzlich unterstützt.


Architekten: BGM ARCHITEKTEN
Team:  Zwischenraum Landschaftsarchitektur
Auftraggeber: Stiftung Alterszentrum Turm- Matt
Ort: Wollerau, Schweiz
Programm: Alterszentrum und Alterswohnungen 
Jahr: Studienauftrag 2017, Planung/Realisierung 2022-2026
Visualisierungen: © Nightnurse Images